Dies & Das

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ehnsucht nach dem Rosenstrauch

„I m Botanischen Garten in Kiew beobachtete ich eine Frau, die entzückt von Rose zu Rose ging, behutsam über die samtenen Blätter strich, den Kopf schüttelte, als könne soviel Schönheit überhaupt nicht wahr sein, ein Tuch von der Schulter nahm, um die gedruckten Blüten mit den farbenprächtigen Naturprodukten zu vergleichen. Ganz fassungslos stand sie vor den kohlrabenschwarzen Rosen - einer Kiewer Züchtung. Dann setzte sie sich zu uns auf die Bank, ringsum von Rosen umgeben, mit dem glücklichen Lächeln eines beschenkten Kindes, das alles, aber auch alles bekommt hat, was es sich seit langem gewünscht hat. Vor Freude mitteilungsbedürftig, erzählte sie: `Ich bin Postangestellte in Kanku. Einmal kam eine Ansichtskarte mit Rosen aus Kiew zu uns. Seitdem wünschte mich Kiew kennenzulernen. Wo ich wohne, gibt es Polarfüchse und Rentiere, Gold und Diamanten. Aber ich wünschte mir so sehr, einmal einen Rosenstrauch zu sehen. so schön habe ich mir Rosen jedoch nicht vorgestellt.´ Vielleicht müsste man wissen, wo Kanku liegt? Ich wusste es nicht. Aber Gold? Jakutien wird als das Klondyke der Sowjetunion bezeichnet. Und Diamanten? Die jakutischen Vorkommen gehören zu den größten der Welt; mit jakutischen Diamantbohrern vollbringen aserbaidshanische (aserbaidschanische) Erdölarbeiter das Wunder, Tiefen von über 7 000 Metern zu bohren. Und Polarfüchse? Aus Jakutien kommt ein Drittel der gesamten sowjetischen Polarfuchsfelle. Doch, so überlege ich, Jakutien liegt mehr as 7 000 Kilometer von Kiew entfernt... Rechtzeitig fällt mir ein jakutisches Sprichwort ein: Minus 40 Grad sind kein Frost, 40 Prozent kein Wodka, 70 Jahre kein Alter, 1 000 Kilometer keine Entfernung." Ich wage es zu fragen: `Sie sind aus Jakutien?` - `Ja´, ist die Antwort, `Kanku gehört zu der Stadt Aldan.´ Und meine Gesprächspartnerin stellt sich vor: `Ich heiße Rosa Michailowna Netschajewa. Viele heißen bei uns Rosa. Das ist die Sehnsucht nach dem, was man nicht hat ... Die Jakutische ASSR ist über 3 Millionen Quadratkilometer groß, hat nur 600 000 Einwohner: Jakuten, Russen, Ewenken, Ewenen, Tschuktschen... Minustemperaturen von 60 Grad sind bei uns keine Seltenheit. Riesige Flächen sind ewig gefrorener Boden, die Häuser auf Pfählen gebaut. Der Frühling gibt nur eine Stippvisite, bringt das sibirische Schneeglöckchen und krokusartige Blumen an den Tag, die die Hänge für kurze Zeit in ein blauweißes Blütenmeer verwandeln.´ Ich frage, Rosa Michailowna, ob sie lieber in Kiew leben würde. `Ohne Rentiere? Oh, nein...´ Ihr Blick aber streift bewundernd die Königin der Blumen. So habe ich wieder gelernt, die Schönheit eines Rosenstrauchs zu bewundern.“
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